Gehörst du zu den Menschen, denen es schwer fällt Grenzen zu setzen und NEIN sagen zu können? Lässt du dich von anderen ausnutzen und ärgerst dich dann, dass andere deine Grenzen nicht respektieren?
In diesem Beitrag erfährst du, warum es so wichtig ist, seine eigenen Grenzen zu kennen. Du bekommst praktische Tipps, wie du in Zukunft deutlich, aber wertschätzend deinen Mitmenschen gegenüber Grenzen setzen kannst.
Grenzen setzen und NEIN sagen fällt vielen schwer
Warum fällt es vielen Menschen so schwer Grenzen zu setzen und NEIN zu sagen?
Das kann mehrere Ursachen haben. Eine davon ist, dass viele Menschen ihre eigenen Grenzen gar nicht kennen und diese somit auch nicht kommunizieren können. Sie bemerken Grenzüberschreitungen meist erst im Nachhinein.
Andere wiederum kennen zwar ihre eigenen Grenzen, trauen sich aber nicht, diese einzufordern. Sie haben Angst vor Zurückweisung und Ablehnung. Dass andere ihre Grenzen überschreiten, ist für sie leichter zu ertragen, als von anderen abgelehnt und kritisiert zu werden. Für ihre eigenen Grenzen einzustehen und dadurch womöglich mit anderen in einen Konflikt zu geraten, ist für sie unvorstellbar.
So ging es auch Beate, bevor sie uns um Unterstützung bat…
Wenn eigene Grenzen nicht erkannt werden
Vielleicht geht es dir ähnlich wie Beate? Als Beate zu uns kam, hatte sie sehr viel Stress im Büro. Sie beklagte sich, dass ihr Chef sie mit Arbeit überschüttet und ihre Kollegin sich dabei raus nimmt. Beate war fix und fertig, sie fühlte sich ungerecht behandelt und der Situation hilflos ausgeliefert. Ich bat sie, mir diese Situationen, die sie im Büro erlebt genau zu schildern.
Sie erzählte mir, dass es nahezu jeden Tag gleich abläuft: Kurz vor Feierabend kommt der Chef mit Arbeiten, die noch ganz dringend zu erledigen wären. Die Kollegin gibt sich sehr beschäftigt und somit übergibt der Chef sämtliche Unterlagen an Beate mit dem Hinweis, sie möge sich darum kümmern, dass es heute noch erledigt wird.
Für Beate war es bislang selbstverständlich, dass sie diese Arbeiten noch erledigte. Ihre Kollegin hat sie dafür aber nie um Hilfe gebeten, auch wenn sie ihre Unterstützung sehr gut hätte brauchen können. Beate ging davon aus, dass es doch selbstverständlich sein müsste, dass ihre Kollegin sie unterstützt und sie die Kollegin nicht erst darum bitten müsste…
Und so kam es, dass Beate nahezu jeden Tag die Einzige war, die länger blieb. Sie war frustriert, fühlte sich ausgenutzt und nicht respektiert. Dazu kam, dass ihr bei diesen zusätzlichen Arbeiten immer öfter Fehler unterliefen. Die Situation wurde für Beate immer unerträglicher und machte sich schließlich auch gesundheitlich bemerkbar: Kopfschmerzen, Verspannungen in Schultern, Hals und Nacken und ein immer häufiger auftretender Druck im Magen brachten sie dazu, etwas verändern zu wollen.
Eigene Grenzen wahrnehmen lernen
Damit Veränderung geschehen kann, gilt es erst einmal sich der aktuellen Situation bewusst zu werden. So fragte ich Beate, was sie selbst dazu beitragen könnte, dass sich die Situation verändert. Ihre erste Reaktion war, dass es doch nicht an ihr liegt, sondern die anderen müssten sich ändern. Der Chef und die Kollegin müssten doch sehen, dass es ihr zu viel ist. Ich fragte sie: „Ist das wirklich so?“ Können andere erkennen, dass es ihr zu viel ist, wenn sie selbst nie etwas dazu sagt? – Wohl kaum! Das wurde ihr nun bewusst. Sie erkannte, dass andere ihre Grenzen nicht kennen und somit auch nicht respektieren können, wenn sie selbst ihre eigenen Grenzen noch nicht einmal wahrnimmt.
Nun ging es darum, dass sie sich ihrer eigenen Grenzen bewusst wurde. Und so erarbeiteten wir gemeinsam, wo es für sie anfing unangenehm und grenzüberschreitend zu werden und welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist. Sie lernte, die Signale ihres Körpers und ihre Gefühle zu deuten und rechtzeitig wahrzunehmen. Dadurch erkannte sie nun, wenn jemand ihre Grenzen überschritt.
Sich eigene Grenzen zugestehen
Beate hatte erkannt, dass sie es selbst war, die es dem Chef und der Kollegin bisher erlaubte, ihre Grenzen zu übergehen. Sie kannte nun ihre eigenen Grenzen und konnte sie wahrnehmen. Allerdings konnte sie sich diese Grenzen zu Beginn nicht zugestehen. Sie fragte mich: „Darf ich denn überhaupt NEIN sagen? Habe ich das Recht dazu?“
Hier macht sich der geringe Selbstwert von Beate bemerkbar. Sie nimmt andere Menschen wichtiger als sich selbst. Sie stellt das Wohl der anderen über ihr eigenes Wohl. Gleichzeitig ist sie aber frustriert, dass andere ihre Grenzen nicht respektierten und nicht so handeln, wie sie es gerne hätte.
Doch so funktioniert das nicht. Du kannst andere nur unterstützen und dich um sie kümmern, wenn du selbst emotional und körperlich stabil bist. Deshalb ist die wichtigste Aufgabe gut für dich selbst und das eigene Wohl zu sorgen. Denn erst dann kannst du auch für das Wohl anderer sorgen.
Hier ein Beispiel, das du bestimmt schon mal bei Sicherheitshinweisen vor einem Flug gehört hast: „Bei einem Druckabfall in der Kabine fallen die Sauerstoffmasken herab. Bitte setzen Sie die Maske sofort auf, wenn sie herunterfällt. Erst die eigene, danach können Sie sich um andere kümmern.“
Beate wurde dadurch klar, wie wichtig eine gute Selbstfürsorge ist. Im Coaching arbeiteten wir entsprechend an ihrer Selbstfürsorge und ihrem Selbstwert. Sie lernte sich selbst besser kennen und mit allen Stärken und Schwächen zu akzeptieren. Das führte dazu, dass sie mit sich selbst respekt- und liebevoller umging, sie ihre eigenen Grenzen besser wahrnehmen und sich diese auch zugestehen konnte.
Grenzen setzen
Im nächsten Schritt ging es darum, dass Beate nicht nur lernte, diese Grenzen wahrzunehmen, sondern diese auch zu setzen und einzufordern. In ihrem Fall ging es nun ganz konkret darum, wie sie sich gegen die Arbeitsüberlastung wehren konnte. Hierfür brauchte sie ein gewisses Maß an Konfliktfähigkeit, um aushalten zu können, dass andere auch mal anderer Meinung sind.
In Beates Fall sah das folgendermaßen aus:
- Sie traf feste Vereinbarungen mit sich selbst. So verabredete sie sich zum Beispiel direkt für die Zeit nach Feierabend mit einer Freundin zum Sport. Das half ihr gegenüber ihrem Chef höflich NEIN zu sagen: „Es tut mir leid. Heute kann ich leider nicht länger bleiben. Ich habe bereits einen Termin.“
- Sie ging gezielt auf ihre Kollegin zu und bat sie um Mithilfe und Unterstützung. Auch wenn ihre Kollegin darüber nicht gerade erfreut war, lernte Beate mit dieser Reaktion umzugehen.
- Immer öfter konnte sie sich abgrenzen und lehnte zusätzliche Arbeit, die man ihr überstülpen wollte ab, indem sie sagte: „Ich würde es ja gerne tun, aber ich habe noch weitere dringende Aufgaben zu erledigen und deshalb dafür im Augenblick keine Zeit“.
Anfangs fiel es Beate noch etwas schwer, die ersten Reaktionen ihres Chefs und der Kollegin auszuhalten. Doch mit der Zeit spürte sie, dass ihre Grenzen mehr und mehr respektiert wurden. Die Situation im Büro entspannte sich sehr schnell für Beate.
Zusammenfassung: 3 Schritte, wie du eigene Grenzen erkennen und setzen kannst
- Eigene Grenzen wahrnehmen lernen Wo gab es in der Vergangenheit Situationen, wo du „Ja“ gesagt hast, aber lieber „Nein“ gesagt hättest? Was machst du für andere, bei dem du dich unwohl fühlst oder dich überforderst?
- Eigene Grenzen zugestehen Sei dir selbst ein guter Freund/eine gute Freundin und behandle dich auch so. Was kannst du für eine gute Selbstfürsorge tun? Triff Vereinbarungen mit dir selbst und halte sie auch ein.
- Eigene Grenzen kommunizieren und einfordern
Trau dich „Nein“ zu sagen und klar zu kommunizieren was du möchtest. Bleibe dabei höflich und respektvoll. Du kannst deinem Gegenüber zeigen, dass du Verständnis für seine Situation hast, aber dennoch bei deinem Standpunkt bleibst.
Hier ein paar hilfreiche Formulierungen, die dich dabei unterstützen können:
- „Ich würde ja gerne helfen, aber ich habe keine Zeit.“
- Erst einmal absagen und später melden: „Das kann ich gerade nicht entscheiden, ich melde mich … nochmal.“
- „Ja, das kann ich schon machen. Aber dann muss klar sein, dass ich weniger Zeit für XY habe, oder XY jemand anders machen muss.“
Probiere es aus und lerne anderen gegenüber deine Grenzen wertschätzend aber deutlich zu kommunizieren. Wenn du dich traust, deine eigenen Grenzen anderen Menschen gegenüber zu setzen und einzufordern, signalisierst du dir selbst damit „Ich bin mir etwas wert.“ Und was noch viel wichtiger ist, die Beziehung zu dir selbst bekommt eine ganz neue Qualität.
Sehr gerne unterstützen wir dich auch dabei.
Herzliche Grüße
Sylvia & Michael
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Hallo, ich bin Yasmin, ich wurde früher auch oft „gehänselt“ oder „aufgezogen“, inzwischen bin ich ganz gut schlagfertig geworden und habe an meinem Selbstbewußtsein gearbeitet. Aber schlagfertige Sprüche helfen immer.
Hallo Yasmin,
ja, auch Schlagfertigkeit ist ein absolut gutes Mittel, um sich abzugrenzen und bei sich bleiben zu können.
Herzliche Grüße
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Was mir fehlt, sind die Fälle, in denen Menschen Grenzen viel zu früh setzen, was m. M. nach ebenfalls auf einem zu geringen oder unrealistisch überhöhten Selbstwert (Narzissmus) beruht, den denjenige sich selbst und anderen gegenüber aus Angst vor Erkanntwerden zu verschleiern versucht. Ich äussere eine Kritik in der Sache und ein Familienmitglied reagiert unangemessen emotional und geht auf eine Angebot für ein klärendes Gespräch nicht ein, schmollt lieber dauerhaft auf infantiler Ebene, statt sich der Klärung und somit der Herausforderung etwas dazuzulernen zu stellen; dazu muss derjenige aus der Kindrolle in die Erwachsenenrolle wechseln. Wer als Kind übertrieben verwöhnt wurde oder sich nie mit konstruktiver Kritik auseinandersetzen musste, weil seine Bezugspersonen nach dem etwas einseitigen Leitsatz agierten „was Aufmerksamkeit bekommt, wächst“ handelten (gemeint ist hier den Fokus ausschließlich auf „das Gute“ zu lenken), reagiert bei jedweder Kritik völlig ungehalten, weil er damit völlig überfordert ist, weil er es nie lernen durfte. Ich stelle fest, dass solche Menschen in Verwaltung und Politik vermehrt anzutreffen sind, die bei Kritik sich nicht auf die Sache einlassen, sondern die Form der Kritik bemängeln und damit die Form über den Inhalt stellen, um damit einem sachlichen Diskurs (=Beziehung) ausweichen.
Vielen Dank Niko für deinen sehr wertvollen Kommentar.
Das, was du beschreibst, wird meiner Erfahrung nach zwar gerne unter dem Deckmantel „Grenzen setzen“ getarnt, hat mit der Form des im Blog beschriebenen Grenzen Setzens jedoch wenig bis nichts zu tun. Ich teile deine Beobachtung, dass diese Form des vermeintlichen „Grenzen Setzens“ in unserer Gesellschaft immer mehr zunimmt. Doch ist das, wie gesagt, kein Grenzen setzen, sondern vielmehr ein „Verstecken“ hinter der sog. Intellektualisierung. Und diese wiederum ist eine Abwehrstrategie um das eigentliche, meist emotionale Problem nicht angehen zu müssen. Dadurch wird leider auch „echter Kontakt“ oder ein „in Beziehung treten“ mit Austausch auf Augenhöhe verhindert.
Und genau hier sehe ich auch eine unserer Aufgaben: Menschen dabei zu unterstützen wieder in echte Verbindungen gehen zu können.
Herzliche Grüße
Sylvia