Von Beziehungsabhängigkeit und falsch verstandener Liebe
Warum es ungesund sein kann, den anderen zu brauchen
„Ich brauche dich doch!“ „Ich kann ohne dich nicht leben!“ Was lösen diese Sätze in dir aus?
Vielleicht hast du solche Aussagen selbst schon gemacht oder sie wurden zu dir gesagt…
Aber was bedeuten diese Sätze? Sind sie ein Liebes-Bekenntnis, das von wahrer tiefer Liebe zeugt? Oder eher ein Zeichen von Abhängigkeit in Beziehungen?
Wenn du wissen möchtest, was emotionale Abhängigkeit in Beziehungen bedeutet, woran du es erkennst und was du tun kannst, wenn du selbst in irgendeiner Weise von emotionaler Abhängigkeit betroffen bist, dann ist dieser Artikel für dich.
Was ist emotionale Abhängigkeit in Beziehungen?
„I need your love“ – „Ich brauche dich – ohne dich kann ich nicht sein“ – Viele glauben, wenn man den anderen wirklich braucht, dann muss das doch tiefe Liebe sein. – Aber ist das wirklich so?
Was bedeutet es denn, wenn jemand nicht gerne allein ist und am liebsten 24/7 mit dem oder der Liebsten zusammen wäre? Vielleicht kennst du dieses Gefühl, ohne deinen Partner oder deine Partnerin unvollständig zu sein, von dir selbst? Und würdest sie oder ihn am liebsten nicht mehr aus den Augen lassen?
Zu Beginn einer Beziehung geht es den meisten von uns so, das gehört ja irgendwie auch zum Verliebtsein dazu. Aber, wenn es danach weiterhin so bleibt und es einem schwerfällt, dem Partner oder der Partnerin vertrauen zu können. Oder sogar anfängt, den anderen zu kontrollieren, dann können das Anzeichen einer emotionalen Verstrickung und von Beziehungsabhängigkeit sein.
Abhängigkeit in Beziehungen kommt häufiger vor als gedacht
Entgegen der landläufigen Meinung wirken Betroffene oft sehr selbstbewusst. Sie treten selbstbestimmt auf und sie scheinen zu wissen, was sie wollen. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich nicht selten ein brüchiges Selbstwertgefühl, das zu emotionaler Bedürftigkeit führen kann. Diese Menschen brauchen die Bestätigung eines Partners oder einer Partnerin, um sich selbst nicht wertlos fühlen zu müssen.
Was hat Abhängigkeit in Beziehungen mit dem Selbstwertgefühl zu tun?
Der amerikanische Sexualtherapeut David Schnarch spricht in diesem Zusammenhang von einem geborgten oder gespiegelten Selbstwertempfinden. Das bedeutet: Betroffene fühlen sich nur dann mit sich selbst wohl und zufrieden, wenn ein anderer ihnen seine Wertschätzung in Form von Aufmerksamkeit und Anerkennung schenkt.
Das heißt auch: Je weniger eine Person in der Lage ist, sich selbst so anzunehmen und zu akzeptieren, wie sie ist und sich gut, um sich selbst zu kümmern, umso mehr braucht sie die Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe des Partners oder der Partnerin für die eigene innere Stabilität.
Damit wird aber auch die Verantwortung für das eigene Befinden auf den Partner oder die Partnerin übertragen. Und das wiederum führt zu Verstrickungen und kann zu emotionaler Abhängigkeit werden.
Die Folge von emotionaler Abhängigkeit in Beziehungen
Die Folge davon ist: Die eigene Unsicherheit nimmt zu und die Angst. Die Angst den Partner oder die Partnerin zu verlieren. Um diese Angst zu kompensieren, beginnen Betroffene den Partner oder die Partnerin zu kontrollieren oder zu manipulieren. Sie stellen überzogene Forderungen, um immer mehr Liebesbeweise zu bekommen. Sie brauchen diese Liebesbekundungen, weil sie sich innerlich klein und ungenügend fühlen. Dabei übertreten sie dann nicht nur die Grenzen des Partners oder der Partnerin, sondern auch ihre eigenen.
Oft bekomme ich dann zu hören: Ich bin doch sonst nicht so! Es wäre doch auch alles gut, wenn er oder sie mir nur mehr Sicherheit geben würde. Und schon befindet sich die Person in der Negativ-Spirale. Das eigene Gefühl von Wertlosigkeit verstärkt sich und das Selbstvertrauen nimmt weiter ab.
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Wir anstatt Du und Ich
Der Partner oder die Partnerin dagegen fühlt sich durch diese ständigen Erwartungen, Forderungen und Vorwürfe sehr schnell erdrückt, überfordert und unfrei. So sehr er oder sie sich auch bemüht, – es reicht irgendwie nie aus. Es ist wie bei einem Fass ohne Boden. Und die Vorwürfe, die Erwartungen und die Kritik nehmen kein Ende. Auch Eifersucht wird immer mehr zum Problem.
Sollte der Partner oder die Partnerin dann noch versuchen, etwas nur für sich selbst und die eigene Entwicklung zu tun, wird dies oft als Zurückweisung der Beziehung aufgefasst und mit Schuldgefühlen belastet. Das führt in solchen Beziehungen immer wieder zu endlosen Diskussionen um die immer wieder gleichen Themen.
Bei Betroffenen gibt es nur noch der Wunsch zu einem gemeinsames WIR zu verschmelzen. Ein ICH und DU kommt in diesen Beziehungen kaum noch vor. Doch diese erzwungene Nähe wird von beiden Partnern als zunehmende Belastung empfunden. Und beiden ist nicht bewusst, was wirklich dahinter steckt.
Wie man sich aus der Falle der Abhängigkeit in Beziehungen befreien kann
Die gute Nachricht ist: Man kann sich aus der Abhängigkeit in Beziehungen befreien und wieder eine gesunde und erfüllende Beziehung führen. Der Weg dahin ist jedoch oftmals steinig und erfordert Arbeit an sich selbst.
Der erste und oft schwierigste Schritt ist das Erkennen und Annehmen des Problems. Das heißt, es kann erstmal schmerzhaft sein, sich selbst einzugestehen, dass man emotional von seinem Partner oder seiner Partnerin abhängig ist. Dazu gehört auch, sich bewusst zu machen, dass man selbst für das eigene Glück und Wohlbefinden verantwortlich ist und nicht der Partner oder die Partnerin.
Vielleicht hast du dir etwas anderes erhofft, aber genau das ist der Anfang in die eigene Verantwortung zu kommen und in ein selbstbestimmtes Leben zu gehen.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch das Selbstwertgefühl. Hier helfen gezieltes Arbeiten an der Selbstliebe und am eigenen Selbstwert, um das eigene Selbstbewusstsein zu stärken und unabhängiger zu werden von der Meinung anderer.
Eine weitere wichtige Maßnahme ist, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren. Nur so kann der andere verstehen, was man braucht und was nicht. Hierbei ist es auch wichtig, eigene Bedürfnisse und Wünsche zu äußern und nicht immer nur darauf zu warten, dass der Partner oder die Partnerin dir diese von ganz allein erfüllt. Möglicherweise kannst du dich sogar auch ausgebremst fühlen und in einer Art abwartenden Haltung. Du traust dich nicht, eigene Dinge zu unternehmen. Denn du möchtest bereit sein, falls dein Partner oder deine Partnerin dann doch mal von sich aus mit Ideen auf dich zukommt. Da er oder sie aber nicht erraten kann, was du dir wirklich wünschst und brauchst, wenn du das nicht äußerst, wird das kaum eintreten.
Um dich hier selbst besser spüren zu können, beantworte dir doch mal folgende Fragen:
1.
Warum bin ich in dieser Beziehung: aus Angst vor dem Alleinsein oder wirklich aus Liebe?
2.
Was würde ich tun, wenn es meinen Partner oder meine Partnerin in meinem Leben nicht gäbe? (Unternehmungen, Freunde, Hobbys…) Wie wäre ich dann? Wer wäre ich dann?
3.
Wenn ich mir der Verbindung zu meinem Partner/meiner Partnerin absolut sicher sein könnte, wie würde ich mich in der Beziehung verhalten? Wie würde ich die Beziehung gestalten?
Liebe ohne emotionale Abhängigkeit
In einer Beziehung ist es wichtig, dass Liebe und Zuneigung freiwillig und nicht aus Verpflichtung heraus entstehen. Wenn der Druck zu groß wird, kann die Liebe schnell verloren gehen. Es fühlt sich zunehmend belastend an. Das schlechtes Gewissen wächst und eine innere Leere breitet sich immer weiter aus. Beide Partner haben das Gefühl, in ihrer Beziehung gefangen zu sein. Die Beziehung wird starr und unbeweglich, was zu endlosen Diskussionen, Grabenkämpfen und bitteren Vorwürfen führen kann.
Natürlich wünschen wir uns alle Liebe, Zuneigung, Anerkennung und Wertschätzung. Wir sind soziale Wesen und brauchen Beziehungen. Aber es ist wichtig, dass wir den Unterschied zwischen Bedürftigkeit und Freiwilligkeit verstehen. Wenn wir die Liebe unseres Partners brauchen, um uns selbst liebenswert zu fühlen, sind wir bedürftig und uns selbst nicht genug. Die Grenze zur emotionalen Abhängigkeit ist erreicht, wenn wir bereit sind, unsere eigenen Grenzen zu überschreiten.
Oft fällt es uns gar nicht auf, dass wir uns so verhalten, weil es ein Muster ist, das wir bereits in der Kindheit gelernt haben. Wir passen uns dem Partner oder der Partnerin an, übernehmen die Interessen des anderen und erfüllen möglichst alle Bedürfnisse, nur um geliebt zu werden. Aber das ist nicht der richtige Weg. Es ist wichtig, dass wir uns selbst akzeptieren und annehmen. Nur dann können wir eine Beziehung auf Augenhöhe führen, die auf Freiwilligkeit und Liebe basiert und nicht auf Verpflichtung und Abhängigkeit.
Du hast vielleicht eine Idee bekommen, dass Abhängigkeit in Beziehungen ein Phänomen ist, das häufiger auftritt als gemeinhin bekannt. Um sich aus diesen Verstrickungen zu lösen, ist es wichtig, die eigene Abhängigkeit zu erkennen und anzunehmen. Hier kann eine Therapie oder ein Coaching eine wertvolle Unterstützung sein, alte Muster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu durchbrechen. Wenn du dir dabei Hilfe und Unterstützung wünschst, melde dich bei uns – wir sind gerne für dich da.
Alles Liebe
Deine Sylvia
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